Die Etablierung einer Feedbackkultur ist oft mehr Wunsch als gewollt

von Björn Hübner

Mit dem Einzug von Agilität und Digitalisierung in Organisationen sind zwei Begriffe im Bereich der Unternehmenskultur immer und überall mit aufgetreten: Fehler- und Feedbackkultur.

Letztere kann wirklich die Zusammenarbeit und die Entwicklung von Menschen maßgeblich wirkungsvoll, positiv beeinflussen. Es kann aber auch genau das Gegenteil eintreten. Der Grund fürs Scheitern liegt meiner Ansicht nach daran, dass es oft beim Wunsch bleibt, da die wirkliche Umsetzung in der Praxis Aufwand und persönliche Entwicklung von allen, also auch dem (Top-)Management, erfordert. Bloße Lippenbekenntnisse reichen also nicht aus.

Wenn man sich ernsthaft mit der Einführung beschäftigt, dann ist es am Anfang hilfreich, sich ein gemeinsames Verständnis über Feedback zu erarbeiten. Aus meiner Sicht sind hier klare Abgrenzungen zu den Begriffen wie Lob, Kritik, Rückmeldung, um nur einige zu nennen, von zentraler Bedeutung. Hieraus sollte dann als Ergebnis stehen, dass die zu erzielende Wirkung und die entsprechende (innere) Haltung bei der Anwendung der unterschiedlichen Kommunikationsanlässe ganz klar ist. Leider findet dies nach meiner Erfahrung nur sehr selten statt. Vielmehr „erfinden“ „Kulturverantwortliche“ Prozesse und Regeln für die Anwendung von Feedback, welche nicht tiefgründig hinterfragt worden sind. Somit steht der Prozess und die Abfolge von Regeln im Mittelpunkt und nicht Inhalt, Haltung und Wirkung. Damit ist dann leider oft ein sinnloses Instrument geschaffen worden, was von der Organisation nur qua Anweisung genutzt wird. Auch das ist dann zwar ein Ausdruck der Organisationskultur, aber ob dieser hilfreich ist, sei dahingestellt.

Unvergesslich bleibt mir dabei eine Situation in meiner Rolle als Kollege in einem HR-Team eines Unternehmens. Eine junge Kollegin hatte sich bei einem sogenannten „Feedbackseminar“ angemeldet. Nach ihrem Besuch bat ich sie, mir einmal Feedback zu meiner Person zu geben – so wie sie es halt im Seminar verstanden hätte. Sie willigte ein und begann mir Feedback zu geben. Dies bestand am Anfang aus vielen positiven Bewertungen zu meiner Person und meines Verhaltens. Dann stockte aber ihre Kommunikation und ich wartete gespannt. Nach kurzer Stille (ich hatte mich bewusst aus dem Blickfeld der Kollegin platziert) hörte ich etwas, was wie ein verzweifeltes Seufzen klang. Mit diesem einhergehend sagte meine Kollegin sinngemäß: „Mist, mir fällt einfach nichts negatives ein“. Ich glaube dies sagt einfach alles aus, was meine sehr geschätzte Kollegin „gelernt“ hat.

Solche Situationen sind mir nicht unbekannt. In vielen Unternehmen ist Feedback immer noch damit verknüpft, dass der Feedbacknehmer nichts sagen darf und der Feedbackgeber, mit dem Versuch von netten Worten oder versteckter Kritik, dem anderen mal so richtig seine Meinung sagt. Egal, ob dieser das möchte oder ob es ihm etwas bringt. Hauptsache es ist erledigt oder es ist endlich einmal gesagt. Wie es dabei dem Feedbacknehmer geht, ist (erst einmal) egal – auch was die Wirkung betrifft. Da muss jeder einfach durch – je weiter unten in der Hierarchie – öfters und heftiger. Ein Feedback von unten nach oben ist zumeist verpönt und wenn überhaupt, dann wird es nur überaus diplomatisch gegeben, so dass das Gegenüber meist nicht wirklich verstehen kann, was gesagt werden wollte. Und um die Kosten noch in die Höhe zu treiben, werden dazu vielerorts noch technisch unterstützende Tools eingesetzt oder noch schlimmer, externe Berater, welche das Feedback aufnehmen und „nach oben“ übermitteln. Dies kann man aus meiner Sicht ruhig so tun. Man sollte sich jedoch dabei immer die Frage stellen, was ist der Sinn und wo will ich hin.

Ein Schlüssel, um der Unwirksamkeit entgegenzuwirken ist sicherlich der selbstreflektierte und wirksame Umgang mit Kommunikation. Gerade in „heiklen“ Situationen, wie Lob, Kritik oder auch Feedback ist es aus meiner Sicht immens wichtig, klar zu agieren und dabei eine wirksame Haltung einzunehmen. Die sogenannte Haltung fällt aber nicht vom Himmel. Als Führungskraft muss ich mir schon die Glaubwürdigkeit bei meinem Team erarbeiten. Hier zählt eben nicht nur was gesagt wird, sondern vielmehr wie. Denn das bleibt haften. Wenn mich also z.B. mein Team seit längerer Zeit in meiner Kommunikation als negativ, persönlich kritisierend erlebt, ist der Wechsel zu einem wirksamen Lob nicht trivial und benötigt Zeit, bis es wirklich ankommt.

Eine Topmanagerin ließ einmal durch ein Stabsmitglied bei mir als Changer erfragen, ob eine Entwicklung der Mitarbeiterschaft hin zu mehr Flexibilität möglich wäre. Ich ließ ihr ausrichten, dass dies kein Problem sei. Um aber dem Risiko entgegenzuwirken, dass die Mitarbeiterschaft die gewollte Flexibilität als Beliebigkeit erleben würde, käme ihr eine Schlüsselrolle zu. Ich ließ ihr mitteilen, dass ich ihre wachsende Flexibilität sehr transparent, öffentlich dauerhaft für die Mitarbeiterschaft darstellen würde. Erstaunlicherweise habe ich nie wieder etwas zu diesem Ansinnen von ihr gehört (Ironie aus).

Das soeben beschriebene Beispiel zeigt aus meiner Sicht, die Herausforderung bei der Etablierung von Feedback und damit der Kreation einer entsprechenden Kultur. Feedback ist leider oft mit Angst und Schrecken verknüpft. Da helfen selbst anonyme Prozesse oder Instrumente nichts. Um hier eine Veränderung zu erzielen ist das glaubwürdige Voranschreiten des (Top-)Managements zwingend. Hinzu kommt eine transparente sowie beteiligende Auseinandersetzung, um Feedback abzugrenzen und zugleich damit zu etablieren. Und natürlich viel Geduld, da dieser Etablierungsprozess erfahrungsgemäß länger dauern wird. In vielen Organisationen ermüdet daher die Bereitschaft sich, unabhängig von der Position, auf diesen Prozess einzulassen, weshalb es beim (frommen) Wunsch bleibt.

Wenn ich mir diese Gedanken für viele mir bekannte Organisationen vorstelle, wird mir klar, dass sie logischerweise ein großes Dilemma hervorrufen. Aber, was wäre erst, wenn die Auflösung gelänge…

Doch dies sind nur so meine GedankenÜber….Bei Gefallen würde ich mich über ein „Like“ freuen

P.S. Beim Schreiben ist mir aufgefallen, dass ich zum Thema Feedback noch einige anknüpfende Gedanken habe. Diese gibt es später in einem weiteren Blogbeitrag

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