„Nichts gesagt ist gelobt genug“, lautet die allseits bekannte Formel des schwäbischen Lobs. Oft wird es augenzwinkernd genutzt, wenn man mit dem Management zum Thema eigenmotiviertes Engagement im Gespräch ist. Es ist gerade so, als sei es das Normalste auf der Welt, dass alle Mitarbeitende mit Arbeitsbeginn hochmotiviert zu Werke gingen und es den Arbeitstag dauerhaft blieben.
Nun, dem ist meiner Ansicht nach nicht so. Dies zeigt sich schon in der Wissenschaft – hier hat es doch die „Theorie X–Y“ von Douglas McGregor* aus dem Jahr 1960 geschafft, bis heute herangezogen zu werden, um die Grundmotivation von Menschen in Unternehmen zu deuten. Doch ist, wie in der „Theorie X–Y“ beschrieben, die Abneigung gegen die Arbeit wirklich grundsätzlich und natürlich gegeben? Oder gibt es nicht manchmal auch „gute Gründe“ oder „Hintergründe“ dafür?
Eigentlich ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass so wenig gelobt wird bzw. man negativ über den Menschen denkt. Hand aufs Herz, wer hat nicht schon einmal in seiner Schulzeit z. B. sein Wissen auf kreative Art und Weise in die Klausuren mittels „Spicker“ oder Ähnlichem eingebracht. Kommt schon irgendwie der „Theorie X–Y“ nahe, oder? Und ebenso sind in der Masse der Schulen bzw. Schularten die Tests stets hinsichtlich der Fehler bewertet worden. Auch hier gab es erst einmal kein Lob für das Richtige, dies musste man sich schon über die Note „abholen“, ich kann mir schon vorstellen, dass diese Kultur uns in unserem Denken und Handeln bis ins Arbeitsleben gefolgt ist.
Für mich bedeutet dies, dass es scheinbar erst einmal abseits der Norm ist, das Positive im Menschen zu sehen und seine Stärken bzw. Fortschritte bestärkend anzusprechen. Eigentlich müssten doch das negative Menschenbild und die Fokussierung auf Fehler (oder auch Schwächen) dazu führen oder geführt haben, dass wir gar nicht mehr gelobt werden wollen oder es uns nicht so wichtig ist.
Meine erlebte Praxis ist eine andere. Menschen, so meine Wahrnehmung, möchten mit ihrer Leistung gesehen und dabei positiv motivierend angesprochen werden. Nicht umsonst wird in der Studie des Rheingold Instituts / PAWLIK** zum Thema Mitarbeiterbindung „Werksstolz“ als ein entscheidender Faktor genannt – nur knapp danach folgt dann auch der Faktor „Wertschätzung“. Nach meiner Kenntnis und Auffassung strebt jede Person danach, von „Nobody“ zum „Somebody“ zu werden. Und daher ist Lob ein ganz zentraler Hebel dafür.
Aber wie lebt man wirksames Loben? Nun, ich finde, es ist schon eine kleine Kunst – wie bereits im Titel erwähnt. Aus meiner Sicht ist Lob nicht zu pauschalisieren, sondern eher im Gegenteil zu individualisieren. Lob, das den jeweiligen Menschen, den es betrifft, wirklich erreicht, muss so gestaltet sein, dass es dem individuellen Ego schmeichelt. Den Begriff „schmeicheln“ wähle ich hier ganz bewusst, um den emotionalen, sanften Charakter zu unterstreichen. Ob intro- oder extrovertiert, jeder Mensch hat diese eine „sanfte Saite“ in sich, und die muss ich als Lobender berühren bzw. zum Klingen bringen. Und dies ist nicht trivial.
Grundsätzlich kann zwischen „öffentlichem“ und „privatem“ Lob unterschieden werden. Hinzu kommt der Faktor der Ausführlichkeit und der Grad der Formalität. Diese drei Komponenten bilden den Rahmen, unabhängig vom Inhalt. Was meine ich damit? Nun, ich habe Menschen geführt, bei denen ich gemerkt habe, dass sie das Lob lieber im Vier-Augen-Gespräch bekommen wollten, andere wollten ganz im Gegenteil dazu ihr Lob vor versammelter Mannschaft. Wäre mir dies nicht aufgefallen, hätte ich weiter nur zum Teil wirksam gelobt. Man stelle sich vor, ich hätte weiterhin Menschen vor allen anderen öffentlich Lob zukommen lassen, obwohl diese Person lieber im Boden dabei versunken wäre – nicht auszudenken, was wohl aus deren Motivation geworden wäre. Gleiches gilt für die Ausführlichkeit. Manchen war es sehr wichtig, dass das Lob umfänglich und die entsprechende Situation sehr detailliert beschrieben war, anderen hingegen war ein „Super, sehr gut gemacht!“ genug berührend, damit dem Ego geschmeichelt wurde. Und auch die Form bzw. der Grad der Formalität ist beim Lob zu bedenken. Ich habe Menschen erlebt, denen der ehrliche Schulterklopfer bzw. Handschlag wichtig war, hingegen andere sich mehr durch persönliche Widmungen oder Zeilen bewegt fühlten.
Natürlich beziehen sich alle drei oben genannten Faktoren auf die Person, welche gelobt wird. Zugleich sehe ich darüber hinaus noch weitere Aspekte in der Persönlichkeit, die Berücksichtigung finden sollten, damit Lob wirksam werden kann.
Bei einem persönlichen Aspekt geht es um die Selbsteinschätzung bzw. Eigenwahrnehmung der Person, welche Lob erhält. Oft kommt hierbei erstmals auch der Inhalt des Lobs zum Tragen. Was meine ich damit? Nehmen wir einmal an, dass wir beim Lob die oben genannten Faktoren beachtet haben und dennoch den Eindruck bekommen, dass das Lob nicht gewirkt hat. Dann könnte es daran liegen, dass aus der Sicht des Gelobten der Inhalt nicht lobenswert gewesen ist. Ein Beispiel aus dem Sport: Ein Hochspringer, der locker die 1,80 m Höhe überspringt, wird sich über ein Lob für diese Höhe nicht geschmeichelt fühlen. Nun könnte es aber sein, dass sehr widrige Verhältnisse bei dem Sprung herrschten – bspw. starker Wind gepaart mit Regen und zusätzlich noch kühle Temperaturen. Dann kann es bei manchen Menschen passieren, dass sie in ihrer Selbsteinschätzung die Widrigkeit nicht berücksichtigen. Und so kann es geschehen, dass sie sich selbst für ein Lob im Wege stehen. Hier erlebe ich in meinen Begleitungsprozessen, dass solche Menschen einen hohen Selbstanspruch haben und dabei weniger auf so etwas wie „Selbstgerechtigkeit“ achten. Ich denke, es ist leicht erkennbar, dass es nicht trivial ist, solche Menschen mit Lob zu erreichen. Eine Möglichkeit im Umgang damit wäre, dass die Erlaubnis für Eigenlob wieder gestärkt wird. Leider wird uns diese, aus meiner Sicht wichtige Kompetenz, in vielen Institutionen abtrainiert, was dazu führt, dass ein Puzzleteil für die Wertschätzung des eigenen Ichs fehlt. Das Sprichwort „Eigenlob stinkt“ ist also keinesfalls generell richtig. Es kann das Selbstbewusstsein auch behindern und die Fähigkeit, Lob zu hören bzw. wirklich anzunehmen, aus der Sicht einer Gelobten beispielsweise einschränken. Mit diesem kleinen Exkurs möchte ich aufzeigen, dass ein „unwirksames“ Lob auch andere Hintergründe haben kann.
Zu viel Lob oder auch das Gegenteil – ausbleibendes Lob, im schlimmsten Fall Kritik trotz guter Leistung – beeinflussen natürlich auch den Boden, auf den Lob fällt. Nach meiner Erinnerung gibt es mehr als ein psychologisches Modell, das belegt, dass die ausschließliche Betonung von positivem Lob (oder gewünschtem Verhalten) uns als Mensch dazu bringt, die Kritik zu vermissen. Dies zeigt meines Erachtens schön, dass sich Dinge in einem ausgewogenen Maß bewegen sollten. Einseitigkeit lässt uns eher abstumpfen und beeinträchtigt dann die Beziehungsebene. Gleiches gilt, wenn wir selbst eine Leistung von uns als lobenswert halten und das Lob aber ausbleibt. Oder noch schlimmer, wir fanden eine Leistung wirklich gut – nur unser Gegenüber (z. B. der Vorgesetzte) kritisiert sogar unser Verhalten. Dies führt nach meiner Erfahrung zu einer Störung im Miteinander. Wenn dies dann häufiger passiert, hilft natürlich die Beachtung der drei Faktoren beim Lobgeben auch nicht mehr. Ich denke, es ist leicht nachvollziehbar, dass nur bei einer intakten Beziehungsebene eine tragfähige Basis für wirksames Feedback vorhanden ist.
Vielleicht schrecken einige von euch meine Gedanken eher davon ab zu loben als zu motivieren, denke ich so beim Lesen der eigenen Zeilen. Oder sehen sogar die schwäbische Lobesformel als gerechtfertigt, da der Aufwand fürs Loben bei gleichzeitiger Möglichkeit des Scheiterns in keiner wirtschaftlichen Relation steht. Dem halte ich jedoch entgegen: Wie soll jemals eine konstruktive Kultur für den Umgang mit Fehlern gelingen, wenn es in einer solchen Organisation nicht gelingt zu loben? Aus welchem Grund sollten Menschen nicht versuchen, ihre Fehler zu vertuschen, wenn nicht der Blick für ihre Stärken und ihr Können in der Organisation vorhanden ist? So kehren wir wieder zurück in die Schulzeit des Spickens und Rotstifts. Aber man stelle sich vor, es gelänge mehr und mehr, wirksames Lob in einer Organisation zu etablieren – welche Möglichkeiten würden daraus erwachsen?
Doch dies sind nur meine GedankenÜber…
Bei Gefallen würde ich mich über einen „Like“ freuen und natürlich stehe ich auch gerne für einen Gedankenaustausch bereit.
*Die Theorien X und Y sind Managementtheorien bzw. Führungsphilosophien, die zwei völlig unterschiedliche Menschenbilder repräsentieren. https://de.wikipedia.org/wiki/X-Y-Theorie
**Als ersten und stärksten Faktor hebt die Studie den sogenannten Werkstolz hervor. „Mitarbeitende wünschen sich einen verantwortungsvollen Gestaltungsspielraum, um sich mit ihren Leistungen zu identifizieren (zitiert nach https://iba.online/newsroom/themen/stephan-guenewald-mitarbeiterbindung/)